ICH online: Editorial der Null-Nummer Editorial Würzburg und Köln im Winter 1996 Nicht erst seit Rimbauds Satz "Le moi est un autre" ("ICH ist ein anderer"), den Jacques Lacan weidlich aufgriff und zu einem der Grundpfeiler seiner strukturalen Psychoanalyse machte, steht die Position desjenigen, der ICH sagt in der westlichen Welt, auf geradezu kriminelle Weise in Frage. "Wen kümmerts, wer spricht?" (Foucault), "Das ICH ist nicht Herr im eigenen Hause." (Freud): Aussagen von Theoretikern der letzten 100 Jahre revidierten gründlich das bisherige Verständnis von "Subjektivität" und "Individualität" in immer breiteren Schichten auch der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Die Zeitschrift ICH, die sich als No-Budget-Projekt begreift und ihre idealistischen Autoren am ausgestreckten Arm verhungern läßt, versteht sich als bescheidener Beitrag der Generation X zum obigen Thema, verstanden hier als das weltanschaulich-ästhetische Auseinanderdriften von Menschen, die doch eigentlich, soziologisch betrachtet, zusammengehören. Dabei soll die Verschiedenheit der hier versammelten Texte weder modernistisch bejubelt noch reaktionär betrauert werden: Sie existiert einfach. Verschiedene Positionen der Eigen-Willigkeit werden ersichtlich: Da ist zum einen der ICH-Besessene, in kafkaesken Windungen sich drehende Ralf Schuster, zum anderen die sich ins poetische Nichts hinstreckende Anja Dyes (die übrigens unserem Titelgirl Hannelore Hoger verblüffend ähnlich sieht), des weiteren Holger Liebs' ironisch-gelehrte Selbst-Bespiegelungen, sowie das kindlich-naive ICH Stefan Hetzels. Zu guter Letzt Ulrich Stöhrs still reflektierendes, eher konservatives Beobachter-ICH. Stefan Hetzel und Holger Liebs